Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 – Jeder Anfang trägt sein eigenes Licht und seine Schatten (306)
Kapitel 2 – Ich wusste nicht, dass Worte Wunden schlagen können, die man nicht sieht (739)
Kapitel 3 – Manchmal bricht etwas in dir, bevor du überhaupt verstehst, was Liebe bedeutet (517)
Kapitel 3 – Teil 2: Zwischen Schmerz und Licht (370)
Kapitel 4 – Ich lernte früh, dass Mut nicht immer laut ist (657)
Kapitel 4 – Teil 2: Zwischen Spielen und Leben (402)
Kapitel 5 – Wenn Schatten leise wachsen (384)
Kapitel 6 – Der Tag, an dem Sekunden zählten (532)
Kapitel 6 – Teil 2: Neuanfänge und neue Schatten (514)
Kapitel 7 – Der Schlag, der alles veränderte (Fußballunfall) (785)
Kapitel 8 – Ein Jahr, in dem die Welt stillstand (563)
Kapitel 9 – Wenn das Durchhalten selbst zur Last wird (638)
Kapitel 10 – Zwischen Pfotenabdruck und Abgrund (836)
Kapitel 11 – Das Jahr, in dem mir alles entglitt (856)
Kapitel 12 – Der Moment, in dem die Nacht nie mehr endete (649)
Kapitel 13 – Zwischen Ich, Wir und Überleben (621)
Zusatzseiten
Zusatzseite 1 – Zusammenfassung Erlebnisse (275)
Zusatzseite 2 – Reflexionskapsel (135)
Zusatzseite 3 – Meta Kapitel: Überleben (90)
Zusatzseite 4 – Warum ich noch hier bin (137)
Kapitel 1 – Jeder Anfang trägt sein eigenes Licht und seine Schatten
Meine ersten Lebensjahre fühlten sich an wie ein kleiner, geschützter Kosmos. Ein Ort voller Wärme, voller Neugier, voller kleiner Wunder. Der Kindergarten war das erste Kapitel meines Lebens, das ich bewusst miterlebte — und er wurde zu einem Ort, der mich prägte, ohne dass ich es damals verstand.
Am wohlsten fühlte ich mich in der Waldgruppe. Wir waren fast immer draußen: im Wald, zwischen hohen Bäumen, mit kaltem Boden unter den Schuhen und frischer Luft, die sich wie Freiheit anfühlte. Die Natur war ein Spielplatz, der nie langweilig wurde. Wir bauten Hütten aus Ästen, sammelten Steine, hörten dem Rascheln des Laubs zu und entdeckten die Welt, wie nur Kinder sie sehen können — groß, geheimnisvoll und voller Möglichkeiten.
Natürlich gehörte auch das Nervige dazu: Mückenstiche, die juckten wie verrückt, oder Zecken, vor denen die Erwachsenen immer warnten. Und jedes Mal, wenn ich nach Hause kam, folgte dieses Ritual: Eltern, die mir durchs Haar gingen, Arme und Beine kontrollierten, und dabei manchmal übervorsichtig schauten. Damals seufzte ich oft genervt — heute weiß ich, es war nur Sorge, Liebe, Schutz. Etwas, das man als Kind nicht begreift, aber später schätzen lernt.
In dieser Zeit lernte ich auch meine beste Freundin kennen. Wir wussten damals nicht, dass unsere Freundschaft sechzehn Jahre bestehen würde… und dass ihr Weg viel später auf tragische Weise enden würde. Aber all das gehört in ein späteres Kapitel.
Diese ersten Jahre waren leicht, farbenfroh, unbeschwert — doch selbst in all diesem Licht gab es bereits die ersten Schatten, die sich leise ankündigten. Gefühle, die ich nicht verstand. Gedanken, die ich nicht aussprechen konnte. Niemand bemerkte sie wirklich, nicht einmal ich selbst.
Es war der Anfang einer Reise, die mich weit tragen würde — durch Dunkelheit, durch Kampf, aber auch durch Wachstum.
Ein Anfang voller Lachen… und voller stiller Vorboten.
Kapitel 2 – Ich wusste nicht, dass Worte Wunden schlagen können, die man nicht sieht
Mit sechs Jahren begann für mich ein neuer Abschnitt meines Lebens: die Schulzeit.
Ich wurde zusammen mit meiner besten Freundin eingeschult, und allein dieser Gedanke machte mich damals glücklich. Wir saßen oft nebeneinander, lachten, lernten, entdeckten gemeinsam diese neue Welt, die plötzlich viel größer war als der Kindergartenwald.
Das erste Schuljahr war ruhig. Unauffällig. Problemlos. Ich war ein Kind, das einfach nur Kind sein wollte — neugierig, offen, voller Hoffnung.
Doch mit dem Beginn der zweiten Klasse änderte sich alles.
Ich war sieben Jahre alt, als etwas begann, das ich damals nicht verstand — und das mich für den Rest meines Lebens prägen sollte.
Es fing harmlos an, wie alles Dunkle. Ein dummer Spruch. Ein gehässiges Lachen. Ein Blick.
Dann wurde es direkter. Härter. Lauter.
Ich wurde zum Ziel.
Zum Sündenbock.
Ich wusste nicht, warum. Ich wusste nicht, was ich falsch gemacht hatte.
Vielleicht hatte ich nichts falsch gemacht — aber als Kind sucht man den Fehler immer zuerst bei sich selbst.
Was auch immer passierte, egal wie eindeutig es war, egal wie sehr es Notwehr war… ich war der Schuldige.
Ob Lehrer es sahen oder nicht, spielte keine Rolle.
Ihre Augen waren blind, oder vielleicht wollten sie es nicht sehen.
Und so begann ein Alltag, der sich wie ein unsichtbarer Stein auf meine Brust legte:
Vorwürfe, Ausgrenzung, Sticheleien, Beschuldigungen.
Worte, die mich trafen wie Schläge.
Schläge, die niemand sah.
Diese Zeit zog sich wie ein zäher Nebel durch meine Kindheit — von meinem siebten bis fast zu meinem elften Lebensjahr. Vier Jahre, die so unbeschwert sein sollten, wurden zu einem Labyrinth aus Angst, Verunsicherung und dem ständigen Gefühl, falsch zu sein. Jeden Tag fragte ich mich: Warum ich?
Eine Antwort bekam ich nie.
Ich wusste damals nicht, dass genau hier, in diesen Jahren, der erste Riss in mir entstand.
Einer, der später zu etwas Größerem werden sollte: zu der Depression, die lange Zeit mein ständiger Begleiter wurde.
Doch so dunkel die Schulzeit für mich wurde, so hell waren oft die Stunden danach.
Es war, als würde ich in zwei völlig unterschiedlichen Welten leben:
Die eine erniedrigte mich — die andere rettete mich.
Nach der Schule wartete mein großer Halbbruder oft auf mich. Mit ihm war die Welt ein Abenteuer.
Wir gingen raus, egal bei welchem Wetter.
Wälder, Felder, kleine Pfade und versteckte Orte wurden zu unseren Spielplätzen.
Wir bauten Hütten, liefen über Wiesen, spielten Räuber und Gendarm, kletterten auf Bäume — und für ein paar Stunden vergaß ich, was in der Schule passiert war.
Die Wildnis gab mir etwas zurück, das mir die Schule nahm:
Freiheit.
Leichtigkeit.
Atmen.
Und dann waren da meine Freunde.
Meine beste Freundin, die mich kannte, bevor das Leben schwer wurde. Mit ihr lachte ich, spielte, redete über alles Mögliche — Kindergedanken, Träume, Fantasien. Sie gab mir das Gefühl, dass ich richtig war, so wie ich war.
Und irgendwo dazwischen, leise und kindlich, gab es auch meinen allerersten Crush.
Ein Gefühl, das ich damals nicht richtig verstand, aber warm war, aufregend, ein kleines Geheimnis, das mich lächeln ließ.
Solche Momente, so klein sie wirken mögen, bedeuteten mir viel mehr, als ich damals wusste.
Zwischen all diesen Nachmittagen gab es auch etwas, das damals wie eine kleine, unscheinbare Entdeckung wirkte, die später zu einem großen Teil meines Lebens werden sollte:
Durch meine beste Freundin stieß ich auf die Furry-Welt.
Anfangs war es nur ein Bild, ein Charakter, ein Gespräch zwischen zwei Kindern — harmlos, verspielt, voller Fantasie.
Ich hätte nie gedacht, dass diese kleine Welt einmal zu einem Rückzugsort, zu einem Ausdruck meiner Identität und zu einem Teil meiner Seele werden würde.
Damals war es nur ein Spiel — Jahre später würde sie mir Halt, Stärke und Zugehörigkeit geben.
Diese Nachmittage, Abende und Wochenenden waren die Gegenwelt zu den Tagen voller Vorwürfe und Verletzungen.
Ohne sie hätte die Dunkelheit vielleicht schneller gewonnen.
Sie waren mein Gleichgewicht — mein sicherer Ort, in dem ich wieder spüren konnte, dass ich nicht falsch war.
Dass ich gesehen wurde, geliebt wurde, gewollt war.
Es waren diese Lichtpunkte, die mich durch die Jahre trugen, in denen ich in der Schule jeden Tag ein Stück mehr verlor.
Und ohne zu wissen, wie wichtig sie waren, hielten sie mich am Leben und verhinderten, dass die Schatten mich völlig verschlangen.
Auch wenn diese Jahre dunkel waren — sie waren nicht das Ende.
Sie waren der Anfang einer Geschichte, die zeigt, dass selbst aus tiefen Schatten irgendwann wieder Licht entstehen kann.
Kapitel 3 – Manchmal bricht etwas in dir, bevor du überhaupt verstehst, was Liebe bedeutet
Ich war neun Jahre alt. Zu jung, um Liebe zu begreifen — aber alt genug, um zu spüren, wie sie weh tut.
Das Mobbing begleitete mich weiter, Tag für Tag. Ein grauer Schatten, der mich schon so lange verfolgte, dass ich nicht mehr wusste, wie es ohne ihn war. Jeder Schultag fühlte sich an wie ein Kampf, als müsste ich mich durch einen Sturm schleppen, während alle anderen bei Sonnenschein liefen.
Doch mitten in diesem Sturm gab es einen Lichtstrahl: meine erste Beziehung.
Mein erstes echtes „Wir“.
Es war unschuldig, kindlich, rein — und trotzdem bedeutete es mir alles.
Vier Monate lang war da jemand, der mir zeigte, dass ich trotz all der Vorwürfe, trotz all der Blicke, trotz der Worte… liebenswert war.
Und dann kam dieser Tag im Mai 2013.
Ein Tag, der sich eingebrannt hat, obwohl ich nicht einmal mehr weiß, welches Datum er hatte.
Nur die Gefühle sind geblieben.
Ich weiß noch, dass es ein Samstag war.
Ich stand früh auf, glücklich, aufgeregt, mit diesem warmen Knoten im Bauch, der sich gut anfühlte. Ich wollte sie einladen — zu einem Tag nur für uns. Kino, Picknick, eine Wiese, zwei Kinder, die glaubten, dass die Welt für einen Moment nur für sie existieren könnte.
Ich bereitete alles vor, sorgfältig, so gut ich es als Kind konnte.
Und dann ging ich zu ihr.
Ich weiß noch, wie die Luft sich verändert hat, als ich sie sah.
Sie stand da — aber nicht allein.
Neben ihr ein anderer.
Lachend.
Eng.
So, wie sie eigentlich bei mir hätte stehen sollen.
Etwas in mir riss.
Keine laute Explosion, kein dramatisches Zerbrechen.
Eher ein leises Reißen.
Ein Faden, der plötzlich nachgab.
Ich sagte nichts.
Ich fragte nichts.
Ich drehte mich einfach um.
Ich ging nach Hause, und jeder Schritt fühlte sich schwer an, obwohl ich nicht weinte. Nicht einmal schreien konnte ich.
Es war ein Schmerz, den ich nicht einordnen konnte.
Zu stark für ein Kind — zu komplex, um ihn zu verstehen.
Den Rest dieses Samstags war ich nur verletzt.
Der Sonntag war nicht besser.
Ich lag dort, in meinem Zimmer, mit einem Gefühl, das ich nicht kannte:
Enttäuschung. Verlust.
Vielleicht sogar ein kleiner Herzschmerz.
Und dann, am Abend, passierte etwas Merkwürdiges.
Etwas, das mich später im Leben oft begleiten würde.
Ich funktionierte wieder.
Als hätte mein Inneres einen Schalter umgelegt.
Als hätte ich mich bereits daran gewöhnt, dass Dinge weh tun.
Als wäre ein Teil von mir schon damals… abgehärtet.
Am nächsten Tag sah ich sie wieder.
Und obwohl es stach, lächelte ich.
So, als wäre nichts passiert.
So, als hätte ich gelernt, Gefühle einfach stumm zu verschließen.
Heute weiß ich:
An diesem Tag habe ich etwas verloren.
Nicht sie.
Nicht die Beziehung.
Sondern ein kleines Stück von mir selbst — ein Stück Vertrauen, ein Stück Unschuld, ein Stück Herz.
Doch auch wenn dieser Moment schmerzhaft war, gehört er zu meiner Geschichte.
Weil er mir gezeigt hat, dass selbst die ersten kleinen Brüche im Herzen dich formen.
Und dass man manchmal durch Verletzungen hindurchwächst, ohne zu merken, dass man wächst.
Kapitel 3 – Teil 2: Zwischen Schmerz und Licht
Nachdem der Schmerz des Mai-Tages 2013 langsam verblasste, setzte sich das Leben fort — wie immer, aber auch ein Stück weit anders.
Manchmal dachte ich an sie, manchmal fühlte es sich so an, als wäre nie etwas gewesen. Das Leben ging weiter, Schule, Mobbing, der tägliche Kampf, sich selbst zu behaupten. Doch zwischen all dem Schatten gab es die Lichtpunkte, die mich trugen.
Die Nachmittage und Wochenenden verbrachte ich weiterhin mit meiner besten Freundin. Wir lachten, spielten, träumten und verloren uns in unserer eigenen kleinen Welt. Diese Stunden waren wie Inseln in einem Meer aus Unsicherheiten und Vorwürfen.
Langsam bemerkte ich, dass sich etwas veränderte.
Ein Gefühl, das ich schon einmal 2013 bei einer anderen Person gespürt hatte, begann wieder zu keimen — nur klarer, deutlicher.
Es war das erste Mal, dass ich ahnte, dass dieses Gefühl bedeutungsvoll sein könnte, etwas, das mich berühren würde, etwas, das größer war als ein Kindheitsflattern.
Im November 2014 geschah etwas, das alles veränderte.
Meine beste Freundin kam auf mich zu.
Sie sagte, sie spüre etwas.
Etwas Besonderes zwischen uns.
Und plötzlich war es da: meine zweite Beziehung, eine Verbindung, die auf Freundschaft gebaut war und das Herz noch stärker berührte.
Es war unschuldig, aber intensiv; aufregend, aber sicher; ein kleines Abenteuer, das uns beide auf besondere Weise prägte.
Der Rest des Jahres verlief in diesem Rhythmus.
Schule, das immer wiederkehrende Mobbing, Hausaufgaben, kleine Siege und Niederlagen.
Doch die Nachmittage und Abende waren gefüllt mit Lachen, Gesprächen und der Nähe zu meiner besten Freundin — nun gleichzeitig auch zu meiner Partnerin.
Wir feierten Weihnachten zusammen, unbeschwert, fröhlich, als könnte nichts die Welt trüben.
Diese Zeit war wie ein Gegengewicht zu allem, was mich sonst belastete: die Dunkelheit in der Schule, die Unsicherheiten, die Ängste.
So vergingen die Monate, einer nach dem anderen, ein stetiger Wechsel aus Schatten und Licht.
Es waren diese Jahre, die mich lehrten, dass selbst in einem Alltag voller Herausforderungen die Momente des Glücks und der Verbundenheit entscheidend sind.
Dass Menschen, die an deiner Seite bleiben, selbst in den kleinsten Dingen, die größten Unterschiede machen.
Und dass Gefühle, die man noch nicht versteht, irgendwann Sinn ergeben — und Türen öffnen, die man vorher nicht einmal gesehen hat.
Kapitel 4 – Ich lernte früh, dass Mut nicht immer laut ist
2015 war ein Jahr voller Gegensätze.
Ein Jahr, in dem ich anfing zu zocken — nicht einfach nur zum Spaß, sondern weil ich darin etwas fand, das mir fehlte: Kontrolle, Reaktionsvermögen, ein Gefühl von Stärke. Videospiele gaben mir eine Welt, in der ich gewinnen konnte, in der ich nicht derjenige war, der immer verlor.
Meine Beziehung lief gut.
Sie war einer der wenigen hellen Punkte, die mir Halt gaben.
Doch das Mobbing blieb.
Es wurde härter, gezielter, gefährlicher.
Mittlerweile wusste ich, dass manche mich so sehr hassten, dass sie mir etwas antun wollten.
Ob sie wirklich wollten, dass ich nicht mehr da bin, oder ob es nur Bluff war, wusste ich nicht — aber damals fühlte es sich realer an als alles andere. Manche Drohungen hört man so oft, dass man irgendwann aufhört, sie zu hinterfragen.
Und dann kam dieser Frühlingstag.
Ein Tag, der mein Leben hätte beenden können — und es gleichzeitig veränderte.
Die Pause hatte gerade begonnen.
Ich war hinten auf dem Schulhof gewesen, musste aber nach vorne, weil ich wusste, dass es dort sicherer war.
Dort wohnte eine gute Freundin meiner Mutter, direkt gegenüber der Schule.
Sie wusste vom Mobbing.
Sie wusste, wie schlimm alles war.
In den Pausen stand sie oft am Fenster, beobachtete das Schulgelände und hielt Ausschau nach mir — als wäre sie ein stiller Schutzengel, der auf mich aufpasste, wenn meine Mutter nicht da sein konnte.
Doch an diesem Tag musste ich vorher auf die Toilette.
Und der Weg zurück führte durch eine schmale Seite des Schulgebäudes — einen Ort, den kaum jemand im Blick hatte.
Einen Ort, an dem man leicht übersehen wurde.
Dort stand er.
Einer der schlimmsten Mobber.
Ich wollte einfach nur vorbeigehen.
Ein Schritt, dann noch einer.
Ich wollte nicht reden, nicht diskutieren, nur an ihm vorbei.
Doch plötzlich packte er mich.
Seine Hand schoss nach vorne, griff meinen Hals — fest, hart.
Es ging so schnell, dass mein Körper nicht einmal Zeit hatte zu verstehen, was geschah.
Der Druck wurde stärker.
Die Luft wurde weniger.
Panik.
Ein kaltes, brennendes Gefühl in der Brust.
Mein Herz raste, mein Kopf begann zu pochen.
Ich hörte nichts mehr außer meinem eigenen Puls.
Ich spürte die Wand in meinem Rücken.
Seine Finger um meinen Hals.
Und die Erkenntnis, dass ich in diesem Moment vollkommen ausgeliefert war.
Ich hatte Angst.
Echte Angst.
Diese Art von Angst, die nicht schreit, sondern im Inneren still wird.
Die dich einfriert.
Die dich glauben lässt, dass dies der letzte Moment sein könnte.
Und dann — ein Zufall, oder vielleicht Schicksal.
Jemand rief meinen Namen.
Die Sekretärin.
Sie suchte mich.
Ausgerechnet an diesem Tag, ausgerechnet in diesem Moment.
Sie brauchte meine Hilfe für etwas Künstlerisches — eine Zeichnung, eine Idee, irgendetwas Kreatives.
Ich war gut darin, ein kreatives Kind, jemand, der gerne malte und baute und tüftelte.
Ich weiß noch, wie sich der Griff löste.
Wie Luft plötzlich in meine Lungen schoss.
Wie ich nach vorn stolperte, hustend, verwirrt, zitternd.
Sie sah nicht, was passiert war — aber sie hatte mich gerettet.
Ohne es zu wissen.
Ein paar Sekunden später hätte ich vielleicht das Bewusstsein verloren.
Vielleicht mehr.
Ich erinnere mich, wie ich mit ihr mitging, wie meine Beine sich schwer anfühlten, wie mein Herz noch immer raste.
Doch ich sagte nichts.
Ich erzählte niemandem, was geschehen war.
Und so war ich, mit neun, zehn Jahren, einem Tod entkommen, von dem niemand wusste.
Heute verstehe ich, wie knapp es war.
Wie real die Gefahr.
Wie sehr dieser Moment mich geprägt hat.
Denn danach begann ich anders zu leben:
Wachsamer.
Schneller.
Reaktionsstärker.
Vielleicht ist das der Grund, warum Videospiele später mehr waren als ein Hobby — sie wurden eine Art Training, ein Überlebensinstinkt in einer Welt, die manchmal gefährlicher für mich war, als ein Kind es je erfahren sollte.
Und vielleicht habe ich damals gelernt, was Mut wirklich bedeutet:
Nicht nur laut zu sein.
Sondern weiterzumachen, auch wenn man einmal fast aufgehört hätte zu atmen.
Kapitel 4 – Teil 2: Zwischen Spielen und Leben
Während sich das Schuljahr weiterzog, das Mobbing blieb und meine Beziehung zu Sky wuchs, entdeckte ich etwas, das mein Leben auf eine neue Art bereichern sollte: Videospiele, aber diesmal nicht nur zum Zeitvertreib.
Ein Spiel, das ich zuerst nur aus Neugier spielte, entwickelte sich schnell zu einem wichtigen Teil meines Alltags: Rocket League.
Ich hätte nie gedacht, dass ein Spiel so viel Bedeutung für mich bekommen würde. Es war mehr als nur ein Zeitvertreib — es war ein Raum, in dem ich Kontrolle hatte, in dem ich wachsen konnte, in dem ich mich beweisen konnte.
Und ich war nicht allein.
Mein guter Freund Taren, den ich schon länger kannte, stieg mit ein.
Wir spielten zusammen, übten, verbesserten uns, diskutierten Strategien.
Wir wurden zu einem Duo, das perfekt zusammenarbeitete — zumindest in unseren Augen.
Die Chemie stimmte, das Zusammenspiel klappte, wir ergänzten uns.
Und manchmal trafen wir uns auch in der realen Welt, lachten, sprachen über alles Mögliche, und es fühlte sich an wie die beste Freundschaft, die ich bis dahin erlebt hatte — fast so intensiv und bedeutend wie die Beziehung zu Sky.
Rocket League wurde mehr als nur ein Spiel.
Es wurde eine Leidenschaft, ein Ziel. Ich wollte besser werden. Ich wollte gewinnen. Ich wollte, dass jede Stunde, die ich investierte, etwas zählte.
Und trotzdem verlor ich nie den Blick für das, was mir im echten Leben wichtig war: Sky.
Ich verbrachte weiterhin Zeit mit ihr, lachte mit ihr, teilte die kleinen Momente. Sie war immer da, und ich wusste, dass sie einen festen Platz in meinem Leben hatte — genauso wie Taren.
Dieses Jahr lehrte mich etwas Wichtiges: Balance finden zwischen zwei Welten, die beide eine Rolle in deinem Leben spielen können.
Die Schule, das Mobbing, die Beziehung, die Freundschaft, das Spiel — alles gleichzeitig, alles herausfordernd, alles bedeutsam.
Ich lernte, dass man sich selbst finden kann, auch wenn die Welt um einen herum manchmal chaotisch und schwer ist.
Dass man Spaß haben darf, auch wenn andere versuchen, einem Steine in den Weg zu legen.
Und dass die Menschen, die einem wirklich wichtig sind — Sky, Taren — dich tragen, egal wie schwer es wird.
Rocket League und diese Freundschaften wurden ein Anker.
Ein Ort, an dem ich nicht beurteilt wurde.
Ein Ort, an dem ich wachsen konnte.
Und ein Ort, an dem ich das erste Mal richtig verstand, dass Leidenschaft, Ehrgeiz und echte Verbindung sich nicht ausschließen müssen.
Kapitel 5 – Wenn Schatten leise wachsen
2016 und 2017 — zwei Jahre, die äußerlich wie jeder andere Alltag erschienen.
Die Schule, das Mobbing, die Hausaufgaben, die kleinen Siege und Rückschläge — alles setzte sich fort wie gewohnt.
Doch innerlich spürte ich langsam, dass etwas sich veränderte.
Etwas Dunkles, schwer Greifbares, das sich zwischen den Alltagsschritten einschlich.
Meine Beziehung zu Sky blieb stabil. Sie war mein Licht inmitten der Schatten.
Die Nachmittage, die Wochenenden, die gemeinsamen Momente — sie gaben mir Halt, Wärme und das Gefühl, dass nicht alles verloren war.
Unsere Freundschaft und Liebe wuchsen weiter, während wir gemeinsam lachten, spielten und uns gegenseitig stützten.
Gleichzeitig blieb Rocket League mein Rückzugsort.
Taren und ich spielten weiterhin zusammen, verbesserten uns, feierten Erfolge und Niederlagen gleichermaßen.
Dieses Spiel, diese Leidenschaft, gab mir ein Gefühl von Kontrolle und Zielstrebigkeit, das mir außerhalb der virtuellen Welt oft fehlte.
Es war ein Ort, an dem ich sein konnte, wer ich sein wollte, ohne Angst oder Vorwürfe.
Doch die dunkle Seite des Lebens blieb.
Das Mobbing hörte nicht auf. Die Ausgrenzung und die bösartigen Kommentare verfolgten mich weiter, manchmal wie ein stetiges Pochen im Ohr, das nicht verschwand.
Die Jahre 2016 und 2017 waren geprägt davon, dass ich lernte, den Schmerz zu ignorieren, ihn zu verdrängen — oder ihn wenigstens zu überstehen, ohne dass jemand verstand, wie sehr er mich traf.
Und in all dem wuchs etwas, das ich noch nicht benennen konnte: die Depression.
Nicht laut, nicht sofort sichtbar, sondern leise.
Ein Schatten, der sich Stück für Stück in mein Denken, in meine Gefühle, in meinen Alltag schlich.
Ich merkte, dass etwas nicht stimmte, dass die Welt schwerer wirkte, dass Freude und Lachen nicht mehr selbstverständlich waren.
Aber ich konnte nicht genau sagen, was es war. Ich wusste nur, dass es da war — wie ein unsichtbares Gewicht, das auf meinen Schultern lastete.
In diesen Jahren lernte ich, zu funktionieren.
Zu tun, was getan werden musste.
Zu lachen, wenn es erwartet wurde.
Zu spielen, wenn ich Energie hatte.
Und zu lieben, wenn Sky mich hielt.
Es waren Jahre, in denen ich langsam begriff, dass manche Kämpfe im Inneren stattfinden, ohne dass jemand sie sehen kann.
Dass man lernen muss, auch mit unsichtbaren Schatten zu leben.
Und dass selbst kleine Lichtpunkte — eine Freundschaft, eine Liebe, ein Spiel, das man liebt — ausreichen können, um nicht unterzugehen.
Kapitel 6 – Der Tag, an dem Sekunden zählten
2018 war ein Jahr voller Veränderungen.
Vieles geschah gleichzeitig: neue Menschen, neue Erfahrungen, neue Ängste — und die alten Schatten, die nie ganz verschwanden.
Ich merkte, dass ich nicht mehr derselbe war wie in den Jahren zuvor.
Die Depression wurde greifbarer, dichter, dunkler.
Und trotzdem funktionierte ich weiter, so gut ich konnte.
Doch eine Sache begriff ich in diesem Jahr stärker als jemals zuvor:
Dass das Gaming nicht nur ein Hobby war — es war ein Schutzschild.
Reaktionsvermögen. Wachsamkeit. Schnelles Denken. Wahrnehmung.
Alles Dinge, die ich täglich in digitalen Welten trainierte.
Und 2018 kam der Moment, in dem genau diese Fähigkeiten mir real das Leben retteten.
Es war ein warmer Juni-Tag.
Kochunterricht.
Die Küche war hell, groß, mit Stahlflächen und dem typischen Summen von Geräten.
Wir kochten in Gruppen, aber während ich Gemüse klein schnitt, war ich für einen kurzen Moment allein.
Die Tür lag hinter mir. Ich war mit dem Rücken zu ihr, konzentriert auf das Schneidebrett, das Messer rhythmisch in meiner Hand.
Und dann… dieses Gefühl.
Etwas Unruhiges im Nacken.
Ein Schatten, der nicht dorthin gehörte.
Eine Bewegung im Augenwinkel, leise, aber für mich nicht zu übersehen —
nicht mit allem, was ich mir über Jahre unbewusst an Wahrnehmung antrainiert hatte.
Ich sah ihn.
Einen der Mobber.
Mit einem Messer in der Hand.
Wie er sich von hinten anschlich — langsam, bedacht, fast schleichend.
Für jeden anderen unauffällig.
Aber nicht für mich.
Ich wusste sofort, was er vorhatte.
Und ich wusste genauso, dass ich reagieren musste.
Ich wartete.
Tat so, als würde ich nichts merken.
Die Sekunden wurden länger.
Er kam näher.
Und näher.
Ich spürte seine Hand, wie sie nach meinem Arm griff —
genau in dem Moment, in dem er zuschlagen wollte, dorthin, wo die Hauptschlagader verläuft.
Die Zeit schien einzufrieren.
Und mein Körper reagierte, bevor mein Kopf es konnte.
Ich riss mich zur Seite, drehte mich reflexartig weg, stieß ihn mit der freien Hand zurück.
Das Messer schnitt mich trotzdem — aber weiter oben am Arm.
Es blutete, ja, aber nicht gefährlich. Nicht tödlich.
Nicht so, wie er es geplant hatte.
Und dann…
war ich raus aus der Linie,
weg vom Angriff,
weg von der Gefahr.
Ich hatte mich selbst vor etwas geschützt, das wie der zweite mögliche Tod wirkte,
innerhalb von ein paar Sekunden — Sekunden, die darüber entschieden, ob ich hier noch weiter erzählen könnte.
Er wurde überrascht, erschrocken, aus dem Gleichgewicht gebracht.
Ich nicht.
Ich war wach.
Ich war schneller.
Ich war… da.
Und als alles vorbei war, zitterte ich.
Nicht aus Panik.
Nicht aus Schmerz.
Sondern weil mir klar wurde, was hätte passieren können.
Was geplant war.
Und wie knapp ich dem entkommen war.
Nach diesem Tag sah ich vieles anders.
Nicht nur die Menschen um mich herum, sondern auch mich selbst.
Ich war nicht nur Opfer.
Ich war auch Überlebender.
Jemand, der trotz allem weiterkämpfte — manchmal bewusst, manchmal instinktiv.
Und jemand, der begann zu verstehen, wie dünn die Linie zwischen Dunkelheit und Licht sein kann.
Dieser Tag hat mich geprägt.
Er hat etwas in mir verändert.
Er hat mir gezeigt, dass selbst in den schlimmsten Momenten etwas in mir existiert, das stark ist.
Auch wenn ich es damals nicht fühlen konnte.
Kapitel 6 – Teil 2: Neuanfänge und neue Schatten
Nach dem Vorfall im Kochunterricht und dem Jahr voller Unsicherheit stand 2018 ein großer Schritt bevor: ein Schulwechsel.
Ein neues Jahr, ein neues Halbjahr, eine neue Schule, neue Gesichter — die Hoffnung, dem alten Mobbing endlich zu entkommen, war groß.
Ich trat als leise und zurückhaltende Person in diese neue Umgebung.
Jahre des Mobbings, der Angst und der Selbstverteidigung hatten mich geprägt. Ich war vorsichtig, beobachtend, immer ein kleines Stück auf Distanz, aber aufmerksam.
Ein Teil von mir war gewarnt, ein anderer Teil hoffte auf Ruhe.
Doch das Leben hatte andere Pläne.
Die Beziehung zu Sky, die über vier Jahre gewachsen war, endete.
Nicht, weil wir uns nicht mehr liebten.
Sondern weil ihre Eltern es wollten.
Sie zogen nach Tschechien, mit Absicht, weil sie mich, den gemobbten Sohn, nicht akzeptieren konnten.
Sky musste gehen, nicht volljährig, an das Schicksal ihrer Eltern gebunden.
Wir konnten nicht mehr zusammen sein — aber wir blieben beste Freunde, akzeptierten das, was wir nicht ändern konnten, und hielten an unserer Verbindung fest, so gut es ging.
In der neuen Schule war ich schnell wachsam und offen für die Menschen um mich herum.
Ich merkte sofort, dass einer meiner Mitschüler anders war.
Er war ein Autist, gemobbt, einsam, hilflos.
Etwas in mir regte sich — der alte Beschützerinstinkt, den ich über Jahre entwickelt hatte.
Ich ging zu ihm, schloss mich an seine Seite und wurde sein Freund.
Wir wurden beste Freunde.
Ich verstand ihn, wir lachten, wir hielten zusammen.
Doch gleichzeitig zog ich mir durch dieses Verhalten auch neues Mobbing auf mich.
Ich wusste, dass ich wieder Zielscheibe werden würde — aber diesmal konnte ich damit umgehen.
Ich hatte gelernt, mich zu behaupten, mich zu schützen, meine Reaktionen zu kontrollieren.
Und mehr noch: Ich hatte gelernt, dass Freundschaft und Loyalität wichtiger sind als die Angst vor anderen.
Und während all dies geschah, ging das Gaming weiter.
Rocket League blieb mein Rückzugsort, mein Ausgleich, mein Trainingsfeld.
Aber es war mehr geworden: Ich entdeckte Esport für mich.
Nicht nur als Hobby, sondern als echte Herausforderung, als Möglichkeit, meine Fähigkeiten zu messen, zu verbessern, zu wachsen.
Taren und ich spielten weiterhin zusammen, trainierten hart, entwickelten Strategien, duellierten uns, feierten kleine Siege — und merkten, dass wir mehr als nur Spieler waren.
Wir wurden ein Duo, das perfekt harmonierte, nicht nur im Spiel, sondern auch in unserer Freundschaft.
Dieses neue Jahr war ein Neuanfang, der mich gleichzeitig auf die Probe stellte.
Ein Jahr voller Verluste, aber auch neuer Bindungen.
Ein Jahr, in dem ich wieder einmal erkannte, dass das Leben uns immer wieder zwischen Licht und Schatten stellt — und dass wir entscheiden können, wem wir unsere Energie geben.
Die Verbindung zu Sky blieb wie ein leises Licht im Hintergrund, während ich lernte, für andere da zu sein.
Und die Freundschaft zu meinem neuen Mitschüler zeigte mir, dass Mut nicht immer bedeutet, keine Angst zu haben, sondern trotz Angst zu handeln, auch wenn es schwer ist.
Und dass Leidenschaft, Ehrgeiz und Fokus — sei es in der Schule, im Leben oder im Spiel — Türen öffnen können, die man vorher nicht einmal gesehen hat.
Kapitel 7 – Der Schlag, der alles veränderte
2019 begann wie jedes andere Schuljahr.
Die bekannten Routinen, die bekannten Gesichter, die gleichen Kämpfe.
Mobbing, Unterricht, Rückzug, kleine Lichtblicke — ein Alltag, der mich schon seit Jahren begleitete.
Doch 2019 war ich nicht nur derjenige, der sich durchs Leben kämpfte.
Ich war auch sportlich.
Ich joggte, wanderte, fuhr viel Fahrrad, spielte Fußball.
Und Fußball war mehr als ein Hobby — es war ein Teil von mir.
Ich war Stürmer, schnell, zielstrebig, ein Spieler, auf den man sich verlassen konnte.
Mein Team vertraute auf mich.
Ich war nicht der Beste der Liga, aber ich war der, der im richtigen Moment traf.
Einer, den man brauchte.
Es war mitten in der Saison, kurz vor dem wichtigsten Spiel des Jahres: dem Finale.
Zwei Tage davor stand ein Klassenausflug an — in die Eishalle.
Ich war mit meinem Lehrer und Marty, dem Autisten aus meiner Klasse, auf dem Eis.
Wir beide konnten nicht wirklich Schlittschuh fahren, also blieben wir am Rand, gegenüber vom Eingang.
Wir lachten sogar ein bisschen darüber, wie unbeholfen wir wirkten.
Für einen Moment fühlte sich alles normal an.
Doch Normalität hielt in meinem Leben selten lange.
Einer der Mobber — einer der kräftigeren — kam in unsere Richtung gefahren.
Er wurde langsamer.
Zu langsam, zu auffällig, um Zufall zu sein.
Und dann passierte es.
Er holte mit seinem rechten Fuß aus.
Mit voller Kraft.
Mit voller Absicht.
Die Kufe seines Schlittschuhs traf mein linkes Schienbein.
Ein Schrei blieb mir im Hals stecken.
Schmerz schoss durch meinen Körper.
Mir wurde schwindelig, übel, schwarz vor Augen.
Ich verlor den Halt — doch Marty fing mich auf.
Marty, der sonst niemanden berühren wollte.
Der Berührungen mied, egal von wem.
Er hielt mich fest, solange, bis der Lehrer zu uns gerannt kam.
Und wäre ich gefallen…
Ich weiß genau, was passiert wäre.
Ich wäre direkt auf das verletzte Bein gestürzt —
und es hätte noch viel schlimmer enden können.
Das Schienbein schwoll sofort an.
Gelb, blau, lila, rot.
Es blutete.
Ich konnte kaum stehen.
Der Schmerz zog tief, viel tiefer, als ich damals verstand.
Ich ging zum Arzt.
Und mit einem einzigen Satz veränderte er mein Leben:
„Das wird langfristige Schäden verursachen. Du darfst dein linkes Schienbein nicht mehr belasten.“
Mein Herz sank.
Ich begriff langsam, was das bedeutete.
Ich musste aufhören.
Aufhören mit Fußball.
Aufhören mit Joggen.
Aufhören mit vielen Dingen, die draußen stattfanden.
Aufhören mit dem, was mir Freiheit gab.
Es war, als hätte man mir einen Teil meiner Identität genommen.
Und zwei Tage später war das Finale.
Das Finale, für das ich hart trainiert hatte.
Das Finale, zu dem mein Team wollte — wegen unserer Zusammenarbeit.
Ich musste meinem Trainer die Nachricht überbringen.
Sein Blick tat fast genauso weh wie das Bein.
Er schluckte, kämpfte sichtbar gegen Tränen.
Er wusste, was Sport für mich bedeutete.
Wir entschieden, das Team erst in der Halbzeit zu informieren.
Ich sollte anwesend sein, auch wenn ich nicht spielen konnte.
Zur Halbzeit stand es 0:2 — wir lagen hinten.
Dann erklärte der Trainer der Mannschaft, was passiert war.
Warum ich nicht auf dem Feld stand.
Warum sich alles geändert hatte.
Etwas geschah mit der Mannschaft.
Etwas, das ich nie vergessen werde.
Sie kämpften.
Sie liefen.
Sie spielten, als würden sie das Spiel nicht nur für sich gewinnen wollen — sondern für mich.
Die zweite Halbzeit wurde historisch.
Aus einem Rückstand von 0:2 wurde ein 9:2-Sieg.
Nach dem Abpfiff stellte sich die Mannschaft in einem Kreis auf.
Sie riefen mich in die Mitte.
Jeder einzelne sagte etwas.
Wie wichtig ich für das Team war.
Wie sehr ich mit meiner Art geholfen hatte, dass wir überhaupt bis zum Finale gekommen waren.
Wie sehr es sie traf, dass ich nie wieder spielen durfte.
Ich versuchte stark zu bleiben.
Aber innerlich brach etwas.
Am 28.10.2019 verlor ich einen Teil meines alten Lebens.
Und gewann einen neuen Fokus:
Gaming.
Rocket League.
Esport.
Was vorher ein Ausgleich war, wurde nun ein Ersatz.
Nicht immer freiwillig — aber notwendig.
Der Schmerz draußen wurde zu einer Flucht nach drinnen.
Der Rest des Jahres verging wie eine Mischung aus Verletzungen, Freundschaft, Mobbing…
und dem immer tieferen Eintauchen in Rocket League, Esport und die digitale Welt, die mir den Platz gab, den die echte mir genommen hatte.
Am Ende des Jahres 2019 begann etwas, das zunächst nur als entfernte Meldung erschien: das Virus, das später die Welt verändern sollte.
Damals wusste kaum jemand, dass daraus eine Pandemie werden würde.
Es war eine diffuse Bedrohung am Horizont, etwas, das man mehr wie eine Nachricht aus fernen Ländern wahrnahm — nicht als die tiefgreifende Veränderung, die 2020 über jeden hereinbrechen sollte.
Für mich war es nur ein weiteres Stück Unsicherheit in einem Jahr, das ohnehin schon von Verlust, Schmerz und Veränderung geprägt war.
Kapitel 8 – Ein Jahr, in dem die Welt stillstand
Das Jahr, in dem sich die Welt für eine Zeit veränderte — und für mich persönlich mehr zerbrach, als ich je für möglich gehalten hätte.
Zu Beginn dieses Jahres tauchte etwas auf, das zunächst noch fern wirkte, fast unwirklich: die Pandemie.
COVID-19, ein neuartiges Coronavirus, breitete sich weltweit aus.
Ein Virus, das Menschen schwer krank machte, Leben kostete und ganze Länder zum Stillstand zwang.
Schulen schlossen, Straßen wurden leer, Kontakte eingeschränkt.
Was man anfangs für eine kurze Ausnahmesituation hielt, entwickelte sich zu einer globalen Krise, die Angst, Isolation und Unsicherheit mit sich brachte.
Die Welt zog sich zurück — und jeder war plötzlich auf sich selbst gestellt.
Doch bevor 2020 überhaupt richtig beginnen konnte, traf mich der erste Schlag.
Am 9. Januar 2020 starb Taren.
Mein Duomate.
Mein Freund.
Der Mensch, mit dem ich Rocket League nicht nur gespielt, sondern gelebt hatte.
Er starb noch an Ort und Stelle.
Auf dem Weg zu mir.
Und das Schlimmste:
Es geschah an einer Kreuzung, an der ich jeden einzelnen Schultag vorbeimusste.
Es gab keinen anderen Weg.
Die Alternative wäre ein Umweg durch die Innenstadt gewesen — über eine Stunde länger.
Also ging ich.
Tag für Tag.
An diesem Ort vorbei.
Mit dem Wissen, was dort passiert war.
Schon zuvor trug ich schwere Depressionen in mir.
Doch ab diesem Tag wurde alles dunkler.
Taren und ich hatten einen Schwur.
Einen einfachen, aber unumstößlichen:
Wenn einer von uns nicht mehr spielen kann, wechselt der andere auf sein Eingabegerät.
Ich spielte Maus und Tastatur.
Er spielte Controller.
Also wechselte ich.
Am 9.1.2020 begann ein neuer Teil meiner Rocket-League-Karriere — nicht aus Ehrgeiz, sondern aus Treue.
Ein Schwur, den ich niemals brechen werde.
Der Umstieg war hart.
Ich wusste theoretisch, was zu tun war — aber Steuerung, Gefühl, Timing, alles war ungewohnt.
Ich grindete.
Tagelang.
Nächtelang.
Nicht nur, um mein altes Niveau wieder zu erreichen, sondern um mit dem Verlust klarzukommen.
Rocket League war nicht mehr nur ein Spiel.
Es war Verbindung.
Erinnerung.
Und Schmerz zugleich.
In all dem Chaos holten mich auch alte Verluste wieder ein — Dinge, die ich zuvor nicht ausgesprochen hatte, die aber immer Teil meiner Geschichte waren.
Da war Paulchen, mein Kater.
Er wurde am 19.10.2018 eingeschläfert.
Von all den Katzen, die wir hatten, war er einer meiner liebsten.
Sein Verlust tat leise weh, aber tief.
Und da war Julian.
Mein Bruder, der hätte sein sollen.
Er starb am 18.03.2011, noch im Bauch meiner Mutter.
Ein Leben, das nie beginnen durfte, aber trotzdem fehlte.
Doch es gab auch Licht:
Mein kleiner Bruder Fynn, geboren am 09.06.2012.
Ein Zuwachs, der zeigte, dass trotz allem neues Leben seinen Weg findet.
2020 hörte nicht auf, mir Dinge zu nehmen.
Am 2. Juli 2020 starb meine Tante.
Eine Frau, die mir unendlich nahestand.
Ich brachte ihr Einkäufe, Essen, Getränke.
Wir redeten viel, spielten Brett- und Kartenspiele, gingen manchmal raus.
Sie war ein Herzensmensch.
Ihr Tod — 20 Tage vor meinem Geburtstag — traf mich härter, als ich es meiner Familie zeigte.
Ich funktionierte.
Aber innerlich war es ein weiterer Riss.
Und so verging das Jahr 2020.
Ohne große Wendungen.
Ohne Happy End.
Nur mit:
- Corona
- Verlusten
- Erinnerungen
- einem Schwur
- und unzähligen Stunden Rocket League
Ein Jahr, das mir zeigte, wie schnell sich alles ändern kann.
Wie wenig Kontrolle man manchmal hat.
Und wie wichtig es ist, an dem festzuhalten, was bleibt — selbst wenn es weh tut.
Kapitel 9 – Wenn das Durchhalten selbst zur Last wird
2021 ging weiter, als hätte 2020 nie aufgehört.
Corona war noch da.
Die Einschränkungen, die Isolation, die Unsicherheit — all das blieb.
Doch für mich war es mehr als nur eine Pandemie.
Die Schule wurde immer schwerer.
Ich ging kaum noch hin.
Fehlte Tag für Tag.
Nicht aus Faulheit, sondern weil ich psychisch am Ende war.
Ein ganzes Jahr lang war ich täglich an dieser Kreuzung vorbeigegangen.
Dem Ort, an dem Taren gestorben war.
Jeden Tag dieselben Bilder im Kopf.
Dieselben Gedanken.
Dieser eine Moment, der sich immer wiederholte.
Zusammen mit den Verlusten der letzten Jahre, der anhaltenden Depression und den schulischen Problemen riss es mich innerlich auseinander.
Das Mobbing war längst nicht mehr das größte Problem —
die Schule selbst war es geworden.
Der Druck.
Das Gefühl zu versagen.
Das Gefühl, nicht mehr zu können.
Doch Gaming blieb.
Rocket League blieb.
Nicht nur als Flucht, sondern als Struktur.
Ich spielte weiterhin aktiv, grindete, trainierte — Esport war längst kein Nebenprojekt mehr.
Es war etwas, das mir Halt gab, wenn alles andere instabil war.
Ein Bereich, in dem Leistung noch messbar war.
In dem Fortschritt sichtbar war.
Und irgendwann begann ich wieder, zu coachen.
So wie früher.
Ich erklärte Mechaniken, Rotationen, Spielverständnis.
Ich half anderen, besser zu werden — erst leise, dann mit mehr Selbstvertrauen.
Ein Teil von mir, den ich durch den Wechsel von Maus und Tastatur auf Controller verloren geglaubt hatte, kam langsam zurück.
Coaching gab mir etwas, das mir sonst fehlte:
Sinn.
Kontrolle.
Das Gefühl, gebraucht zu werden.
Am 10. Juni 2021 traf mich der nächste Verlust.
Mein Patenonkel starb.
Einer meiner Herzensmenschen.
Er war magersüchtig und konnte nicht aufhören zu rauchen.
Ich wusste, dass er krank war.
Und trotzdem liebte ich ihn mehr, als ich es ihm je gezeigt hatte.
Ich schaffte es nicht zu seiner Beerdigung.
Meine eigenen psychischen Schmerzen waren zu groß.
Zu erdrückend.
Bis heute bereue ich das ein Stück weit.
Nicht aus Schuld — sondern aus Liebe.
Das Jahr ging weiter.
Mein Geburtstag kam und ging.
Alles wirkte leer.
Und dann kam der 29. Juli 2021.
Ein Tag, der anders war.
Ich hatte in diesem Jahr einen Einzelbetreuer.
An diesem Tag waren wir zusammen in einem Freizeitpark.
Zum ersten Mal seit Langem war ich wirklich glücklich.
Nicht gespielt.
Nicht abgelenkt.
Sondern ehrlich glücklich.
Ich traute mich sogar, Achterbahn zu fahren.
Ich, der sonst niemals so etwas tun würde.
Aber an diesem Tag tat ich es.
Und ich wollte ein zweites Mal.
Also fuhren wir ein zweites Mal.
Wir fuhren auch Wasserbahnen, lachten viel.
Es war einer der schönsten Tage des ganzen Jahres.
Ein Tag ohne Dunkelheit in meinem Kopf.
Doch auch dieses Licht hielt nicht lange.
Kurz vor der Rückfahrt wollte mein Einzelbetreuer unter vier Augen mit mir sprechen.
Er sagte mir, dass meine Mutter im Krankenhaus lag — in der Notaufnahme.
Mit einem Satz war der Tag vorbei.
Die Dunkelheit war zurück.
Meine Mutter blieb zwei Wochen im Krankenhaus.
Ich wusste:
Wäre sie später gegangen, wäre sie wahrscheinlich tot gewesen.
Wochen, vielleicht Monate zuvor hatte sie immer wieder starke Kopfschmerzen gehabt.
Nach den zwei Wochen Krankenhaus war sie nur eine Woche zu Hause —
dann folgten drei Wochen Reha.
Diese drei Wochen waren die schwersten für mich.
Ich aß fast nichts.
Ich war ohnehin schon untergewichtig für meine Größe.
Der Rest erklärt sich von selbst.
Am 23. September 2021 starb dann auch noch eine meiner Omas.
Ein weiterer Verlust.
Ein weiterer Schmerz.
Der Rest des Jahres verlief ruhig.
Zumindest äußerlich.
Alltag.
Corona.
Schule — so gut es ging.
Aber Rocket League blieb.
Coaching blieb.
Esport blieb.
2021 war kein Jahr des Aufbruchs.
Es war ein Jahr des reinen Überlebens.
Ein Jahr, in dem ich lernte, dass selbst das Durchhalten Kraft kostet.
Und dass man manchmal nicht kämpft, um zu gewinnen —
sondern einfach, um den nächsten Tag zu erreichen.
Kapitel 10 – Zwischen Pfotenabdruck und Abgrund
(2022)
2022 begann nicht mit einem Knall.
Es begann mit Erschöpfung.
Die Schule war vorbei — nicht auf die Art, wie man es sich wünscht.
Ich wurde gegangen.
Oder besser gesagt: Ich konnte nicht mehr bleiben.
Trotzdem erhielt ich mein Abschlusszeugnis des zehnten Pflichtschuljahres.
Die Noten waren… undefinierbar.
Sie erzählten nichts über mich, nichts über meine Kämpfe, nichts über das, was ich getragen hatte.
Aber sie waren da.
Zehn Jahre Pflichtschule lagen hinter mir.
Und ich war leer.
Der Schmerz war nicht neu.
Er war nur dichter geworden.
Schwerer.
Stiller.
In diesem Jahr kam jedoch etwas in mein Leben, das sich anfühlte wie ein Gegenpol zum all dem, was ich verloren hatte.
Eine Hündin.
Sie kam ursprünglich aus Rumänien.
Ich weiß bis heute nicht mehr genau, ob es 2021 oder 2022 war — aber ich weiß diesen Moment, als wäre er gestern gewesen.
Ich lag noch im Bett.
Die Tür war offen.
Ich war halb wach, halb verloren in Gedanken.
Sie erkundete die Wohnung vorsichtig, still, neugierig.
Dann kam sie in mein Zimmer.
Sie blieb stehen.
Schaute sich um.
Sah mich.
Ich lag auf dem Rücken, die Arme locker neben mir,
die linke Hand offen auf der Matratze.
Sie kam näher.
Sprang mit beiden Vorderpfoten auf das Bett.
Schaute mich an.
Schaute meine Hand an.
Und dann legte sie ihre Pfote darauf.
Ohne Zögern.
Ohne Angst.
In diesem Moment wusste ich:
Sie würde mir helfen.
Oft.
Mehr, als Worte es je könnten.
Das Jahr verlief ansonsten ruhig — zumindest nach außen.
Ich begann, nach Arbeit zu suchen.
Ich wollte etwas tun.
Nicht stehen bleiben.
Dann kam der 22. Juli 2022.
Mein 18. Geburtstag.
Ein Tag, der anders hätte sein sollen.
Freude.
Feiern.
Ein Übergang ins Erwachsenenleben.
Der Morgen begann noch normal.
Einkaufen.
Glückwünsche.
Ein paar Geschenke, über die ich mich ehrlich freute.
Kaffee.
Kuchen.
Und dann kam die Idee:
Man könnte ja zum Grab meiner Tante fahren — das Wetter sei so schön.
Wir fuhren hin.
Und als wäre das nicht schon genug, kam dort die nächste Idee auf:
Man könnte das Grab ja gleich putzen.
Mein 18. Geburtstag.
Zwischen Grabstein und Stille.
Ich ging eine Runde um den Block.
Kam am Haus meiner Tante vorbei.
Blieb stehen.
Erinnerungen kamen hoch.
Ein kurzes Schmunzeln, das mehr weh tat als half.
Zurück am Friedhof warteten meine Eltern und mein großer Halbbruder.
Wir fuhren nach Hause.
Nach dem Abendessen sagte meine Mutter, sie wolle mit mir unter vier Augen reden.
Wir gingen in einen kleinen Park hinter dem Haus.
Es gibt Dinge, die wusste niemand.
Nicht einmal viele Menschen, die mir nahe standen.
Ich hatte mir immer eine Schwester gewünscht.
Das wussten nur meine beste Freundin Sky — und meine Mutter.
An diesem Abend erzählte sie mir die Wahrheit.
Ich hatte eine Schwester.
Sie starb am 15.08.1995.
Sie lebte nur wenige Wochen.
Es traf mich mit voller Wucht.
Seit 2011 stand ich am Grab eines Babys — wegen Julian.
Und wusste nicht, dass dort auch meine Schwester lag.
Bis zu meinem 18. Geburtstag.
Ich weiß noch genau, wie dieser Tag endete.
Ich stand auf einer Brücke.
23:47 Uhr.
Minuten vergingen.
Und dann ging ich wieder.
Mein dritter Suizidversuch, der keiner wurde.
Irgendetwas hielt mich zurück.
Etwas tut es seit Jahren.
Der Rest des Jahres brachte Arbeit — und neue Wunden.
Ich begann in einem Lager zu arbeiten.
Dreieinhalb Monate.
Körperlich hart.
Besonders für mein linkes Schienbein — die alte Verletzung, die nie wirklich heilte.
Ich lernte viel:
Kommissionieren.
Verpackung.
Paletten wickeln.
Ware nachfüllen.
Ich machte meinen Staplerschein.
Ich war das, was man ein „Universal-Tool“ nennt.
Ich half, wo ich konnte.
Dann kam dieser Tag.
Ein Missverständnis.
Eine Arbeitskollegin aus der Kontrolle.
Sie schrie mich an.
Vor der ganzen Halle.
Nicht viele Stimmen.
Eine.
Aber alle hörten es.
Alle schauten.
Man warf mir etwas vor, das nicht stimmte.
Ich konnte nichts sagen.
Ich war wie eingefroren.
Ich ging zu meinem Spind.
Nahm meine Sachen.
Schloss ihn.
Ging ins Büro.
Dort passierte es:
Meine erste Panikattacke.
Atemnot.
Tränen.
Kontrollverlust.
Es ging wieder — knapp.
Aber etwas blieb offen in mir.
Bis heute.
Am 08.12.2022 starb meine Oma — die Mutter meiner Mutter.
Ich hatte sie jahrelang kaum gesehen.
Einmal war ich allein bei ihr an ihrem Geburtstag.
Ich erinnere mich noch, wie glücklich sie war.
Ich bereue, dass ich nicht länger blieb.
Gaming hingegen lief — fast schon paradox — besser denn je.
Rocket League war wieder auf Höchstniveau.
Esport-Coaching.
Eigenes Team.
Und ich fand ein neues Spiel: Destiny 2.
Ein Online-Science-Fiction-Shooter, in dem Spieler gemeinsam Missionen, Raids und Dungeons bestreiten — präzise, schnell, im perfekten Zusammenspiel.
Ich lief Speedruns.
Raids.
Dungeons.
Bestzeiten.
Sogar einen Weltrekord — inzwischen sicher gebrochen, aber für mich bedeutungsvoll.
2022 war auch das Jahr, in dem ich mich outete.
Nicht als Furry — sondern als schwul.
Ich hatte eine Beziehung, die am 12.06.2022 begann
und bis ins Jahr 2023 führte.
Ein weiteres Kapitel.
Ein weiterer Versuch, Nähe zuzulassen.
2022 war kein Jahr der Heilung.
Aber es war ein Jahr der Wahrheit.
Zwischen Pfotenabdruck und Abgrund
lebte ich weiter.
Und irgendwie…
lebte ich noch.
Kapitel 11 – Das Jahr, in dem mir alles entglitt
(2023)
2023 war ein Jahr der vielen Veränderungen.
Aber nicht der guten, nicht der leichten.
Meine Beziehung lief — zumindest nach außen — stabil.
Doch darunter lagen Wunden, die nie wirklich verheilt waren.
Depressionen.
Alte Traumata.
Neue Verletzungen, die sich still dazugesellten.
Mein Alltag bestand aus Funktionieren.
Aus Arbeitssuche.
Aus Tagen, die sich gleich anfühlten.
Gaming war weiterhin mein Halt.
Rocket League — Esport, Coaching.
Destiny 2 — Speedruns, Rekorde, Solo-Dungeons, Trio-Raids.
Ich moderierte Twitch-Streams, baute Discord-Server für kleinere Streamer auf.
Dort hatte ich Struktur.
Dort hatte ich Kontrolle.
Dort war ich etwas wert.
Dann kam der 12. Juni 2023.
Unser Jahrestag.
Mein Freund hieß Hannes.
Wir wollten diesen Tag besonders machen.
Trotz allem.
Trotz meines Beins.
Ich setzte mich aufs Fahrrad.
Wir fuhren los.
Redeten.
Lachten.
Für einen Moment fühlte sich das Leben leicht an.
Dann geschah der Unfall.
Ein Geräusch.
Ein Aufprall.
Chaos.
Hannes wurde angefahren — nicht leicht, nicht glimpflich.
Ich war sofort bei ihm.
Kniete mich zu ihm.
Zog ihn an mich.
Er lag in meinem Schoß.
Ich hielt ihn fest.
Redete auf ihn ein.
Bettelte, flehte, hoffte.
Der Krankenwagen kam.
Zu spät.
Er starb in meinen Armen.
Und ich habe diese Bilder bis heute im Kopf.
Sein Gesicht.
Sein Blick.
Das Gewicht seines Körpers.
Die Wärme, die langsam verschwand.
Es sind Bilder, die nicht verblassen.
Sie kommen ungefragt zurück — nachts, in stillen Momenten, manchmal mitten am Tag.
Ich habe gelernt zu funktionieren,
aber ich habe nie gelernt, sie loszulassen.
Der Sommer kam.
Aber er brachte keine Wärme.
In mir veränderte sich etwas Grundlegendes.
Ich begann zu verstehen, dass da etwas Weibliches in mir war.
Vielleicht ein Teil meiner Schwester, von der ich erst im Jahr zuvor erfahren hatte.
Vielleicht einfach ich selbst.
Ich ging von schwul zu trans.
Ein Schritt zu mir —
und gleichzeitig ein weiterer Kampf.
Ich sehnte mich nach Nähe.
Fast süchtig.
Dann kam eine neue Beziehung.
Sie hielt zwei Monate.
Sie wollte eigentlich nicht kommen.
Ich überredete sie.
Weil es mir wichtig war, dass meine Eltern sie kennenlernen.
Exakt nach zwei Monaten.
Sie war auf dem Weg zu mir.
Ein Krankenwagen kam aus einem toten Winkel.
Zu schnell.
Er traf sie tödlich.
Sie starb, bevor sie bei mir ankam.
Bis heute gebe ich mir die Schuld.
Nicht logisch.
Nicht gerechtfertigt.
Aber tief in mir verankert.
Vielleicht, weil ich sie überredet hatte.
Vielleicht, weil mein Kopf einen Schuldigen sucht, um nicht an der völligen Ohnmacht zu zerbrechen.
Vielleicht, weil Verlust für mich nie einfach nur Verlust ist.
Im September 2023 starb Felix.
Unser Kater.
Wir hatten ihn 2018 zu uns geholt.
Meine Mutter hatte ihn mit Milch aufgezogen — er war kleiner als eine Hand.
Ich erinnere mich genau an den Tag, als wir ihn auswählten.
Alle standen bei den Katzenbabys im Keller.
Alle drängten sich.
Ich stand wie so oft im Hintergrund.
Und dann sah ich ihn.
Versteckt hinter dem Katzenklo.
Ich ging langsam zu ihm.
Ruhig.
Vorsichtig.
Keine zwei Minuten später hielt ich ihn auf der Hand.
Meine Mutter drehte sich um.
Ihr Blick voller Überraschung.
Von da an war klar:
Er gehört zu uns.
Ich nannte ihn liebevoll „unsere Katzenklo-Katze“.
2020 kam er zu meinem großen Halbbruder.
2023 starb er.
Ich war 19.
Und bis Oktober noch Jungfrau.
Dann änderte sich das.
Ich hatte Besuch.
Mein erstes Mal.
Ich war Bottom — die empfangende Rolle, während der Top die aktive übernimmt.
Es fühlte sich befreiend an.
Als hätte ich etwas nachgeholt.
Als hätte ich ein Stück Kontrolle zurückgewonnen.
Im selben Monat waren meine Eltern ein Wochenende weg.
Ein weiterer Besuch kam.
Kennlernphase.
Er schlief bei mir.
Wir hatten Spaß.
Auch sexuell.
Wieder ich als Bottom.
Dann kam der Schmerz.
Ein klares Signal meines Körpers: Es geht nicht mehr.
Ich sagte es ihm.
Und dann begann es.
Er machte mich nieder.
Beleidigte mich.
Sagte, ich sei untauglich.
Ich könne kein Bottom sein.
Ich verschloss mich im Bad.
Fast 30 Minuten.
Ich rief Sky an.
Meine beste Freundin.
Ich weinte.
Ich war still.
Ich konnte nicht sprechen.
Ich legte auf.
Ich ging zurück ins Zimmer.
Sagte ihm, er könne die Nacht noch bleiben und morgens gehen.
Ich hätte ihn rauswerfen sollen.
Mein Herz war zu gut.
Ich lag im Bett.
Er kam von hinten.
Tat so, als wolle er mich ankuscheln.
Er war stärker.
Und dann passierte etwas, über das viel zu wenig gesprochen wird —
vor allem, wenn es Jungs oder trans Frauen betrifft.
Er misshandelte mich.
Er vergewaltigte mich.
Dieses Trauma würde sich erst Jahre später vollständig zeigen.
2025.
Als das Jahr sich dem Ende neigte,
kam ein weiterer, leiser Abschied.
Im Dezember 2023, an einem Adventstag, starb Gizmo.
Der Hund einer sehr guten Freundin, die damals nahe meiner Schule wohnte.
Gizmo war mehr als nur ein Hund.
Er war Nähe.
Freude.
Ein vertrautes Wesen in einer Zeit, in der so vieles zerbrach.
Sein Tod war kein lauter Verlust.
Aber ein tiefer.
Einer von denen, die still wehtun —
und lange bleiben.
Der Rest des Jahres bestand aus Schmerz.
Arbeitssuche.
Überleben.
Gaming blieb.
Als Halt.
Als Flucht.
Ich lebte weiter.
Aber ein Teil von mir blieb in diesem Jahr zurück.
Zerrissen.
Still.
Und trotzdem —
noch da.
Kapitel 12 – Der Moment, in dem die Nacht nie mehr endete
(2024)
2024 begann nicht leise.
Es begann mit einem Schlag, der mir den Boden unter den Füßen wegzog —
und ihn nie wieder ganz zurückgab.
Der 18. Februar 2024.
Ein Datum, das sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat.
Skys Ex rief mich an.
Seine Stimme war unruhig.
Er fragte, ob ich etwas von ihr gehört hätte.
Ich hatte seit drei Tagen nichts mehr von ihr gehört.
Auch das war nicht normal.
Er sagte, er müsse in ihre Wohnung, um ein paar Sachen zu holen.
Aber zuerst wollten wir sie finden.
Er ging hinein.
Ich war über Videoanruf dabei.
Die Kamera zeigte den Flur.
Dann die Küche — links.
Ein Nebenraum — rechts.
Das Schlafzimmer.
Das Bad.
Nichts.
Dann wieder die Küche.
Und zuletzt das große Wohnzimmer.
Ein Moment.
Ein Stillstand.
Hinter der Couch sah man Beine auf dem Boden.
Er rannte hin.
Und da lag sie.
Meine beste Freundin.
Blutüberströmt.
Reglos.
Das Messer noch in ihrer Hand.
Sie war tot.
Der Suizid wurde später bestätigt.
Aber in diesem Moment wusste ich nur eines:
Das war das letzte Mal, dass ich sie sah.
Diese Bilder verließen mich nie wieder.
Sie kamen nachts zurück.
In Albträumen.
In Momenten, in denen ich eigentlich sicher war.
Ich sehe sie bis heute.
Wie sie da lag.
Und ich wache auf, schweißgebadet, mit dem Gefühl, als wäre ich wieder dort.
Von diesem Tag an wurde die Welt dunkler.
16 Jahre Freundschaft.
Davon 4 Jahre Beziehung.
Sky war nicht einfach meine beste Freundin.
Sie war mein Zuhause.
Mein Anker.
Die Stimme, die mich verstand, bevor ich selbst wusste, was ich fühlte.
Und plötzlich war sie weg.
Ich funktionierte.
Mehr nicht.
Das Einzige, was blieb, war ihr VRChat-Avatar.
Er war public.
Aber für mich war er sie.
Kurz vor Ende 2023 hatte sie mich nach VRChat gebracht.
Und nun, nach ihrem Tod, wurde diese Welt zu einem Ort voller Erinnerungen —
schmerzhaft, aber vertraut.
Ich outete mich offiziell als Furry.
Kurz darauf bekam ich meine erste eigene Fursona: Osaria.
Eine Fursona ist eine selbst erschaffene Figur — ein Spiegel der eigenen Identität, Gefühle und inneren Welt.
Osaria wurde mehr als nur ein Avatar.
Sie wurde Ausdruck dessen, was ich selbst kaum in Worte fassen konnte.
Rocket League lief weiter — Esport, Coaching.
Destiny trat in den Hintergrund.
VRChat wurde Alltag.
Ich begann, in einer virtuellen Bar zu arbeiten.
Wurde schnell Teamleitung.
Und genau dort traf ich ihn.
Meinen zukünftigen Partner.
Wir lernten uns kennen.
Lachten.
Redeten stundenlang.
Am 1. Juli 2024 kamen wir zusammen.
Meine dritte große Beziehung.
Und auch meine drittlängste — sieben Monate.
Aber das wusste ich damals noch nicht.
Er kam oft zu mir.
Unser erstes reales Date war in einem McDonald’s.
Nicht romantisch im klassischen Sinn —
aber echt.
Und unvergesslich.
VRChat änderte sich.
Ich arbeitete nicht mehr in der Bar.
Ich lernte neue Menschen kennen.
Freunde.
Die Reallife-Arbeitssuche lief weiter.
Zäh.
Kräftezehrend.
Rocket League blieb mein Anker.
Ich trat dem Team meines Freundes bei.
Er war selbst Spieler, hatte ein eigenes Team in einer Orga.
Für eine Weile fühlte sich das Leben… ruhig an.
Fast normal.
Dann kam der 23. Dezember 2024.
Eine Nachricht.
Mein Freund Diego war gestorben.
Krebs.
Ein weiterer Mensch, der mir sehr nahestand.
Ein weiterer Verlust.
Und ab diesem Tag begann etwas Neues.
Etwas Dunkles.
Regelmäßige Panikattacken.
Fast täglich.
Oft nachts.
So stark, dass ich nicht mehr beruhigt werden konnte.
So stark, dass ich irgendwann bewusstlos wurde.
Ich wachte später wieder auf.
Mit Gedächtnislücken.
Mein Partner saß dann bei mir.
Erzählte mir langsam, Stück für Stück, was passiert war.
Jedes Mal aufs Neue.
Diese Attacken wurden Teil meines Lebens.
Was sie auslösten.
Was sie mit mir machten.
Und wohin sie führten —
das würde sich erst im Jahr 2025 vollständig zeigen.
2024 endete nicht mit Hoffnung.
Es endete mit Angst.
Und mit dem Gefühl,
dass mein Körper und mein Kopf begonnen hatten,
gegen mich zu arbeiten.
Kapitel 13 – Zwischen Ich, Wir und Überleben
(2025)
2025 war kein Jahr.
Es war ein Zustand.
Ein ständiges Pendeln zwischen Hoffnung und Abgrund.
Ich erkannte etwas Wichtiges über mich:
Ich bin polyamor.
Ich kann mehrere Menschen gleichzeitig lieben.
Diese Erkenntnis war ehrlich —
aber sie kam zu spät.
Am 5. Februar 2025 verlor ich meine Beziehung.
Sie hatte sieben Monate gehalten.
Mein Partner gab mir Zeit.
Zeit, mich zu entscheiden.
Er oder der andere.
Ich war ehrlich.
Aber innerlich war ich Chaos.
Und ich traf die scheinbar sicherste Entscheidung —
die falsche.
Die neue Beziehung dauerte zwei Monate.
Zwei Monate Hölle.
Ich war blind vor Liebe.
Oder vor Angst, allein zu sein.
Ich wollte gehen.
Aber ich konnte nicht.
Es endete mit meinen fünften Suizidgedanken.
Ich hatte einen Tag.
Einen Plan.
Und genau an diesem Tag trat jemand in mein Leben,
der mich auffing,
bevor ich fiel.
Wir kamen schnell zusammen.
Vielleicht zu schnell.
Eineinhalb Monate.
Und dann:
eine der schlimmsten Trennungen meines Lebens.
In dieser Zeit entstand meine zweite Fursona: Scorty.
Viele nennen ihn „die Sonne“.
Er entstand mitten in der Beziehung —
als Gegenpol zu allem Dunklen.
Nach der Trennung verlor ich mich in Transport Fever 2.
Ein Spiel, in dem man Verkehrsnetze aufbaut — Züge, Straßen, Logistik.
Ordnung.
Struktur.
Kontrolle.
Etwas, das mir im echten Leben fehlte.
Zum ersten Mal seit Langem war ich eine Zeit ohne Beziehung.
Und ich begann, wieder klarer zu denken.
Dann kam der Sommer.
Und eine neue Beziehung.
Eine schöne.
Er bekam ein eigenes Lied.
Mit Hilfe von mir und Freunden entstand ein VRChat-Musikvideo.
Am Tag der Aufnahme machten wir eine Pause.
Da klingelte mein Handy.
Seine Mutter.
Ein sehr guter Freund von mir war gestorben.
Autist.
Fünf Jahre lang hatte er fast nur mich.
Sie wussten es.
Ich nicht.
Die letzten Worte seiner Mutter werde ich nie vergessen:
Ich war wie ein Bruder für ihn.
Ich solle so bleiben, wie ich bin.
Er habe nie jemanden gekannt, der liebenswerter war als ich —
nicht einmal, bevor wir uns kannten.
Dieser Tag veränderte alles.
Das Musikvideo trägt diesen Moment in sich.
In einer Szene stehen wir auf einem Berg.
Die Kamera vor uns.
Alle schauen hinein.
Ich nicht.
Ich stehe etwas abseits.
Und starre in die Leere.
Dieser Moment ist festgehalten.
Für immer.
Die Beziehung zerbrach Monate später — wegen mir.
Ich hatte Persönlichkeitsprobleme entwickelt.
Ich wollte Bottom sein.
Weiblich.
Aber ich war immer Top.
Ich unterdrückte meine weibliche Seite.
Mein Partner war gay.
Ich trans — von Mann zu Frau —
aber ich unterdrückte das,
damit es eine „reine“ Gay-Beziehung blieb.
Das konnte nicht funktionieren.
Ich trennte mich.
Wenige Tage später kam ich mit jemandem zusammen,
der mich zurück zu mir selbst brachte.
Der mir zeigte,
dass ich mich nicht unterdrücken muss.
Ich bin ihm bis heute dankbar.
Doch auch diese Beziehung zerbrach.
Er hatte vor meinem Freundeskreis gesagt,
er nehme mich so, wie ich bin.
Monate später sagte er:
Er wolle ein „ganzes Mädchen“.
Kein halbes.
Ich wollte keine intime Trans-OP.
Will sie bis heute nicht.
Das reichte ihm nicht.
Dazwischen liegt ein Tag,
der meine Entscheidung endgültig festigte:
- August 2025.
Meine Mutter ging wegen einer Routine-OP ins Krankenhaus.
Gebärmutter.
Es wurde eine Not-OP.
Fast sechs Liter Blutverlust.
Sie starb fast zum zweiten Mal.
In dieser Woche war ein guter Freund bei mir.
Er half mir, das zu verarbeiten.
Er weiß bis heute nicht,
wie sehr er mir das Leben gerettet hat.
Jetzt, am Ende von 2025,
bin ich wieder in einer Beziehung.
Und ich bin ausgezogen.
Seit dem 19. Oktober 2025
lebe ich in Wien.
Von Hessen, Ober-Ramstadt,
nach Österreich.
Ein neuer Ort.
Ein neues Kapitel.
Aber diese Geschichte endet hier noch nicht.
Denn während ich das schreibe,
ist Dezember 2025.
Und das nächste Kapitel
beginnt genau dort.
GESAMTZUSAMMENFASSUNG
1. Suizidversuche (chronologisch)
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Vor 2018 – Jugendjahre
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Jahrelanges Mobbing
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Beginnende Depressionen
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Gefühl von Schuld, Wertlosigkeit und Ausweglosigkeit
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Januar 2020 – wenige Tage nach Tarens Tod (09.01.2020)
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Plötzlicher Tod deines Duomates
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Schwur
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Täglicher Weg an der Todeskreuzung vorbei
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Pandemie, Isolation, Verschlimmerung der Depression
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22.07.2022 – 18. Geburtstag
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Offenbarung der verstorbenen Schwester
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Aufgestaute Verluste (Julian, Tante, Oma)
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Emotionaler Zusammenbruch an einem symbolisch wichtigen Tag
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24.12.2024 – nach Diegos Tod & belastendem Weihnachten
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Tod von Diego (23.12.2024)
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Panikattacken
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Überforderung durch erneuten schweren Verlust
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2025 – nach toxischer Beziehung & inneren Konflikten
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Toxische Beziehung
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Polyamorie‑Konflikt
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Identitätskrise
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Emotionale Überlastung
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➡️ Gesamt: 5 Suizidversuche
2. Traumata
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Jahrelanges systematisches Mobbing (Grundschule bis weiterführende Schule)
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Zwei beinahe tödliche Angriffe:
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2015: Würgen durch Mobber
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2018: Messerangriff im Kochunterricht
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Schwerer Sportunfall 2019 (Schienbeinverletzung, lebenslange Einschränkung)
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Verlust der sportlichen Identität (Fußball-Ende)
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Tod in deinen Armen:
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12.06.2023: Tod deines Partners Hannes nach Verkehrsunfall
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Sexuelle Gewalt / Vergewaltigung (2023)
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Erleben eines Suizids per Videoanruf:
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18.02.2024: Tod deiner besten Freundin Sky
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Anhaltende Panikattacken mit Bewusstlosigkeit & Gedächtnislücken (ab Ende 2024)
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Arbeitsbezogenes Trauma:
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Öffentliches Anschreien → erste Panikattacke (2022)
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3. Schicksalsschläge & Verluste
Familiär
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Julian (ungeborener Bruder) – † 18.03.2011
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Unbekannte Schwester – † 15.08.1995 (erst 2022 erfahren)
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Tante – † 02.07.2020
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Patenonkel – † 10.06.2021
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Oma (väterlich) – † 23.09.2021
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Oma (mütterlich) – † 08.12.2022
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Fast‑Tod deiner Mutter:
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2021 (Klinik + Reha)
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11.08.2025 (Not‑OP, massiver Blutverlust)
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Freunde & Partner
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Taren – † 09.01.2020 (Duomate, RL)
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Hannes – † 12.06.2023 (Partner, starb in deinen Armen)
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Zweite Partnerin 2023 – tödlicher Verkehrsunfall
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Sky – † 18.02.2024 (beste Freundin seit Kindergarten, Ex‑Partnerin)
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Diego – † 23.12.2024
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Autistischer Freund (Sommer 2025) – † während Musikvideodreh
Tiere
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Paulchen (Kater) – † 19.10.2018
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Felix (Kater) – † September 2023
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Gizmo (Hund eines engen Freundes) – † Dezember 2023
Kurzbilanz
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Suizidversuche: 5
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Schwere Traumata: zahlreich, über Jahre kumuliert
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Verluste: außergewöhnlich viele für mein Alter
-
Gemeinsamkeit: wiederholter Verlust von Bindung, Sicherheit und Zukunft
Reflexionskapsel
Dieses Buch ist kein chronologischer Beweis meines Leids,
sondern ein Fragment meines Lebens.
Nicht alles, was wehgetan hat, ist hier beschrieben.
Und nicht alles, was hier steht, hat gleich wehgetan.
Manches verstand ich erst Jahre später.
Ich habe gelernt, dass Schmerz nicht immer laut ist.
Manchmal sitzt er einfach da, bleibt, wartet.
Und manchmal wird er erst sichtbar, wenn alles andere still wird.
Diese Kapitel sind keine Wunden mehr.
Sie sind Narben.
Und Narben erzählen nicht nur, was passiert ist,
sondern auch, dass man überlebt hat.
Ich schreibe dieses Buch auch, weil es mir hilft, frei und offen über alles zu sprechen.
Es ist eine Art Spiegel für mich selbst und ein Schritt, um zu verstehen, dass Heilung möglich ist.
Und dies wird definitiv nicht das einzige Buch sein – es ist nur ein Anfang.
Meta-Kapitel: Überleben
Überleben ist kein Heldentum.
Es ist kein Sieg.
Es ist oft nur das Aushalten eines weiteren Tages.
Ich habe überlebt,
nicht weil ich stark war,
sondern weil irgendetwas in mir
sich immer wieder geweigert hat zu gehen.
Überleben bedeutete:
-
aufzuwachen, obwohl man nicht wollte
-
zu bleiben, obwohl alles drängte zu gehen
-
weiterzuatmen, obwohl Luft schwer war
Man spricht viel über Heilung.
Wenig darüber, wie roh das Überleben selbst ist.
Wie unordentlich.
Wie unromantisch.
Dieses Buch ist kein Beweis von Stärke.
Es ist der Beweis, dass ich geblieben bin.
Warum ich noch hier bin
Ich bin nicht hier,
weil alles gut geworden ist.
Ich bin hier,
weil ich Menschen geliebt habe
und geliebt wurde – manchmal nur kurz, aber echt.
Ich bin hier,
weil Gaming mir Struktur gab,
weil Welten mir Halt gaben,
als die echte Welt mich fallen ließ.
Ich bin hier,
weil Tiere mich gewählt haben,
ohne Fragen zu stellen.
Ich bin hier,
weil ein Teil von mir immer noch neugierig ist.
Nicht auf Glück –
sondern auf das, was noch kommen könnte.
Ich bin hier,
weil ich gelernt habe,
dass Bleiben manchmal die mutigste Entscheidung ist.
Und ich bin hier,
weil ich zeigen will,
dass man kämpfen und überleben kann,
wenn man dazu steht und nicht aufgibt.
Nicht, weil es leicht ist.
Sondern weil es möglich ist.
Für jeden.
Und vielleicht reicht das.
Für jetzt.
Published: Dec 14, 2025
Latest Revision: Dec 14, 2025
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